Orlando
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Orlando

Junge Oper Hannover

Ausgangspunkt für die Jugendproduktion der Spielzeit 2015/16 wird Ariosts Stoff vom »Rasenden Roland« (1505 – 32) sein. Die Abenteuer von Orlando, so der Name des Ritters Roland im italienischen Origi­nal, faszinierten insbesondere im 17. und 18. Jahrhundert Publikum und Kom­ponisten: Orlando vernachlässigte seine ritterlichen Pflichten und die damit un­trennbar verwobenen Verhaltensregeln. Er sprengte also soziale Konventionen und stellte die höfische Standesordnung infrage, verlor darüber den Verstand – und das alles wegen der Liebe. Orlando war eine Figur, die selbstbewusst ihre individuellen, privaten Wünsche über die Bedürfnisse der Gesellschaft und des Fürsten an deren Spitze zu stellen ver­suchte. Diese Beharrlichkeit war gleich­zusetzen mit blinder Wut, mit Raserei. Für Komponisten war diese Raserei ein sehr attraktiver Stoff, bot sie doch die Gelegenheit für musikalische Schilde­rungen emotionaler Extremsituationen. Unter anderen beschäftigten sich die Komponisten Agostino Steffani, Jean- Baptiste Lully, Nicolò Piccinni, Antonio Vivaldi und Joseph Haydn mit der Welt des Orlando – nicht immer mit diesem selbst, sondern auch mit den Geschich­ten der vielen Nebenstränge und Neben­figuren des Ariost’schen Epos: Orlandos »Wahnsinn« war gewissermaßen anste­ckend und stürzte andere Figuren – Rit­ter, Zauberer und Zauberinnen, alte und junge Männer und Frauen – in Verwir­rungen, Zwiespälte und Intrigen.

Georg Friedrich Händel ging in seinen Opern Alcina und Orlando über die bloße Illustration von Gefühlszuständen hinaus – seine Musik zeichnet intensiv und differenziert die inneren Beweggründe, die Entwicklung von selbstbewussten Individuen nach, machte den »Wahnsinn« emotional verständlich. Durch Händels Figurencharakterisierung gewinnt der Stoff eine gesellschaftliche Dimension, die für die beteiligten Jugendlichen wie für das Ensemble der Jungen Oper rele­vante Fragen zu den Themenfeldern Auseinandersetzung mit individuellen und gemeinschaftlichen Werten und Gruppendynamik aufwirft.

Auf einer abgelegenen Insel begegnen sich Menschen, die sich fragen müssen, was Lebensideale eigentlich sind, wer sie vorgibt, ob sie diese befolgen möch­ten, und wenn nicht, was sie dafür zu opfern bereit sind – das eigene Lebens- und Liebesglück? Lebensziele und -ideale können hilfreich sein, solange einem nicht die eigenen Gefühle in die Quere kommen – oder einen die Meinungen anderer verunsichern. Schließlich ist eine solche Situation auch ein Ort für extreme gruppendynamische Prozesse: Wer ist Meinungsführer, wie verschafft sie oder er sich Autorität, und wie nutzt sie oder er diese Macht, um anderen zu helfen oder die eigenen Ziele zu befördern? Wie geht die Gemeinschaft mit einem um, der sich nicht ihren Verhal­tensnormen unterwirft? Treibt die Ge­meinschaft den Liebenden zum Mord oder Selbstmord – oder er sich selbst?

Für »Orlando« begegnet das musikalische Team von Siegmund Weinmeister und Stefan Wurz – die in der Saison 2014/15 aus Jacques Offenbachs »Hoffmanns Erzäh­lungen« eine unverschämte, rockige und gleichzeitig tiefgängige Live-Show ge­macht haben – dem Regisseur und Autor Martin G. Berger, der mit seinem Jugend­musical »Krawall« (2012/13) eindrucksvoll gezeigt hat, was passiert, wenn Jugend­liche etwas wollen und gegen Autori­täten aufbegehren.

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